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Aus der Gemeinde und Pfarre Kammern

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Beim Zechgelage mit den
Kammersteiner Raubrittern

(Eine Erzählung von P. Tassilo Riegler)

Einst lebte zu Kammern ein Wirt namens Scheuchenstuhl. In seiner Gaststube ging es oft lustig zu, und wenn die Zecher schon etwas über den Durst getrunken hatten, wussten sie allerlei Mären zu erzählen. Der Scheuchenstuhl pflegte dabei nur spöttisch zu lachen und meinte: „Ihr könnt’s mir gestohlen werden mit eurem Unsinn. Wer soll denn so was glauben?“

Vor allem hatte er es auf die Kammersteiner mit seinem Spott abgesehen. „Ja, ja! Da oben mögen schon einmal ein paar armselige Rittersleut‘ gehaust haben - aber die sind längst gestorben. Vielleicht haben ihnen damals auch die Türken den Garaus gemacht, ich kann das blöde Zeug halt nicht glauben!“

Eines Tages bekam Scheuchenstuhl eine traurige Nachricht: Sein Vetter in Eisenerz war plötzlich gestorben. „Da muss ich doch zur Leich‘ kommen, hab den Vetter sehr gern gehabt!“, meinte er und machte sich auf den Weg. Das war damals keine Kleinigkeit, es gab kein Auto, keine Bahn. Aber Scheuchenstuhl war gut bei Fuß und dazu ein tüchtiger Bergsteiger. So wanderte er gegen Seiz. Er hatte Glück, denn unterwegs begegnete ihm ein Fuhrwerk, das nach Eisenerz unterwegs war. Das nahm ihn mit und so kam er gerade noch zurecht zur Leich‘ von seinem Vetter. Nach dem Begräbnis saßen sie noch eine Weile beim Leichenschmaus beisammen.

Bald aber machte sich der Scheuchenstuhl auf, um über die Berge noch vor der Nacht wieder heim zu kommen. Er musste damals ganz allein zu Fuß wandern, weit hinauf, aber es war ihm gar nicht bange, kannte er doch Weg und Steg überall in dieser Gegend, er war ja schon oft auf dem Reiting und den anderen Höhen droben gewesen.

So wanderte er aufwärts immer höher und höher. Am späten Nachmittag, hatte er fast schon die Höhe erreicht. Als die Sonne im Untergehen war, stand er schon droben auf der Schneid, von wo es dann abwärts gehen sollte, heim nach Kammern. Es wurde allmählich dunkel und immer dunkler, sodass er kaum noch den Weg ausmachen konnte.

Was war das nur heute! Auf einmal hatte er den Steig verloren und wusste nicht mehr weiter. So was war ihm noch nie passiert! Jetzt noch umkehren, oder weitergehen, oder gar im Wald übernachten? Das konnte er doch nicht!

Da sah er plötzlich ganz unten ein Licht, ja daneben noch mehrere Lichter, wie von einem Haus! Ja Teufel noch einmal, da heroben gab‘s doch nirgends ein Haus, nicht einmal eine Sennhütte! - Er stolperte im Finstern weiter, hinunter, dem Lichte zu.

Auf einmal stand er vor einem prächtigen Schloss. „Fix Laudon! Wo bin ich denn hingeraten?“, murmelte er vor sich hin. „Da gibt‘s nicht weit und breit so was. Ich muss mich verirrt haben.“ Aber weil er schon da war, glaubte er doch hineingehen zu müssen. „Vielleicht kann ich da über Nacht bleiben und dann morgen wieder weiter gehen. Man kann ja keine Hand mehr vor dem Gesicht sehen“, dachte er und stapfte auf das Schloss zu.

Da stand vor dem offenen Portal ein leibhaftiger Ritter, einer wie aus dem Mittelalter, drinnen aber hörte er lautes Singen und Grölen. Er meinte: „Da ist gewiss eine Komödie im Gang oder Hochzeit.“ Jedenfalls wollte er es sich näher ansehen.

Der Ritter winkte ihm auf einmal. „Also kann es doch nicht so gefährlich sein“, dachte Scheuchenstuhl und ging auf den Ritter zu. Der nahm ihn freundlich bei der Hand und führte ihn durch einen finsteren Gang in einen hell erleuchteten Saal, wo an einem langen Tisch viele Ritter saßen. Von einer reichen Tafel duftete es nach Braten und vor den Zinntellern standen große Zinnkrüge voller Wein. Die Ritter mampften und soffen nach Herzenslust und sangen, grölten und lachten. Der Scheuchenstuhl bekam einen Platz neben den Rittern zugewiesen. Er sollte nur essen und trinken, bedeuteten sie ihm.

Es war eine seltsame Sprache, die sie da führten, er konnte kein Wort verstehen, oder doch? Ja, ja - oder doch nicht! Er wurde nicht klug daraus, was für Menschen das waren. Immerhin, gastlich waren sie und daher bestimmt nicht zu fürchten. Der Braten schmeckte ihm köstlich, er hatte ja schon einen Bärenhunger! Und trinken sollte er auch! So nahm er einen festen Zug aus dem Zinnkrug vor ihm. Teufel - Teufel! War das ein Weinderl! So was hatte er in seinem ganzen Leben noch nie getrunken, obwohl er Wirt war! Nein, so was hatte er nie gesehen! Wo war er denn? Die Ritter sangen und grölten unbekümmert weiter. Manchmal schien es ihm, als grinsten sie ihm schelmisch zu!

Er konnte einfach nicht mehr aufhören zu saufen! Allmählich wurde ihm der Schädel schwer und es brummte in ihm, oder waren das die Ritter? Er fiel plötzlich vornüber und war eingeschlafen. Dann schreckte er doch wieder hoch. Was war denn das? Da glotzte ihn ein Ritter an, hatte eine lange gelbe Nase und schwarze Augen und, ja zum Teufel, was war denn das. Alle Ritter sahen plötzlich so komisch aus, hatten lange gelbe Nasen und schwarze Augen und statt Haaren hatten sie ganz schwarze Federn! Wieder war er eingeschlafen, dann schreckte er wieder auf! Die Ritter waren auf einmal ganz verschwunden. Und statt ihrer saßen da riesige schwarze Vögel um ihn herum und kreischten ihm zu. Vor Schreck wurde er wieder bewusstlos.

Als er endlich wieder zu sich kam, lag er mitten im Wald unter einer großen Fichte im Moos. Vor ihm im Mondenschein aber ragte eine Ruine auf. „Jessas!“, fuhr es ihm durch den Sinn. Das ist ja leibhaftig Kammerstein! Er sprang auf. Da hörte er wie ein leises Weinen eine Stimme: „Au weh! Wie seind vergangen all die vielen Jahr, hab ich träumet oder ist es wahr?“

Zitternd vor Schreck rannte Scheuchenstuhl davon, den Berg hinunter, als ob ihm tausend Teufel auf den Fersen wären. Hinter ihm glaubte er ein höhnendes Johlen und Singen zu hören, dann wieder ein Kreischen und Krächzen. Er rannte, so schnell ihn die Füße nur tragen konnten, weiter und weiter, bis er atemlos aus dem Wald kam. Vor ihm im Mondschein lag unten sein Kammerer-Dörfl. Er musste eine ganze Weile verschnaufen. Jetzt war es ganz still. Da hörte er von unten vom Kirchturm her Glockenschläge. Eins, zwei, drei, vier - dann einen dumpfen Ton: Eins! Die Mitternacht war vorbei.

Wieder rannte er so schnell er nur konnte talab und war nach einer halben Stunde vor seinem Haus. Er pochte lange an die Tür! Dann ging über ihm ein Fenster auf, seine Alte schaute herunter, schlug entsetzt ihre Hände zusammen und schrie: „Jessas Marand Josef! Wo kimmst denn du daher! Mitten in der Nacht!“

Bald hatte sie das Tor offen, zog den Halbbewusstlosen hinein und über die Stiegen hinauf in die Schlafkammer. Er sank aufs Bett hin, und sie zog ihm die Stiefel herunter. Dann wusste er nichts mehr.

Am folgenden Tag, die Sonne schien hell durchs Fenster auf ihn, hörte er ein Klopfen an der Fensterscheibe. Er starrte mit weit aufgerissenen Augen hin. Ein großer schwarzer Vogel mit gelbem Schnabel guckte mit boshaft schillernden schwarzen Augen herein. Er machte einen Schrei, und der Vogel war weg. Seine Alte war bei ihm: „Ja um Gottes Willen, was hast denn?“

Er begann stotternd zu erzählen, was er alles in der vergangenen Nacht erlebt hatte. Sie glaubte ihm kein Wort und meinte nur: „Du! Stockbesoffen bist heimkommen! Hast ja früher immer gesagt, das mit den Rittern wäre Blödsinn und jetzt willst selber droben gewesen sein. Geh, schlaf lieber weiter deinen Rausch aus!“ Und draußen war sie bei der Tür.

Er kraxelte mühsam auf, zog seine Stiefel an und ging hinunter zum Nachbarn. Vielleicht konnte der ihm alles erklären. Gerade der hatte ja schon sooft von den Raubrittern erzählt. Dieser hörte ihm lächelnd zu und meinte: „Ja mit solchen Herrschaften soll man nicht spotten, sonst kommen sie einem.“ Seine Alte war inzwischen schon unterwegs und bald hatte sich die Geschichte im ganzen Dorf herumgesprochen.